Todsünden der Kommunikation #1: Der Ratschlag

Der (ungebetene) Ratschlag

„Du, mir ist so richtig kalt.“ – „Dann zieh Dich wärmer an.“ oder „Pullover hilft.“ oder „Da is ne Heizung!“

„Der schreit immer so.“ – „Sag’s ihm halt.“ oder „Da hilft nur weghören.“ oder „Einfach nicht reagieren.“

Zwei von vielen Ratschlag-Beispielen, die uns täglich begegnen. Meist nehmen wir diese Antworten gar nicht bewusst als Ratschläge war. Unsere Reaktionen, egal ob auf der sprachlichen oder nicht-sprachlichen Ebene, zeigen dennoch deutlich, wie wir dazu stehen.

In der Regel ist es alles andere als Dankbarkeit, die uns bei ungefragten Ratschlägen durchflutet. Es sind eher Gedanken wie „Jetzt weiß ich auch, dass ich besser einen Pulli übergezogen hätte.“, „Schlaumeier.“, „Was weiß denn der schon von meiner Situation?“, „Wenn das so einfach wäre.“

Wir blocken eher ab, ziehen uns zurück, fühlen uns unverstanden. Die Kommunikation wird also verändert, wenn nicht gar vollständig lahmgelegt, das Gespräch versiegt.

Dies ist vielen gar nicht bewusst. Sie wollen nur helfen, eine Lösung anbieten. Was aber, wenn der andere es gar nicht will? Schließlich hat er ja nicht danach gefragt. Und trotzdem kommt er: der Ratschlag.

Was es ist…

Schaue Dir den Ratschlag als Wort mal etwas genauer an.

Der Rat – SCHLAG… Siehst Du es? Es steckt das Wort „Schlag“ darin. Und genau so fühlen wir uns, wenn er unerwartet, ungefragt er-TEILT wird: geschlagen! Es trifft uns wie ein Schlag ins Gesicht – im wahrsten Sinne des Wortes. Nicht gerade die feine englische Art und auch nicht die gute Kinderstube unseres Gegenüber.

„Rat“ steckt ebenfalls darin. Vielleicht von „raten“ wie mutmaßen? Passen würde es. Oder vom Ältestenrat, der natürlich um seine Meinung gefragt wurde (und auch immer noch wird: Betriebsrat, Aufsichtsrat, Bundesrat…), aber eben selten damit die Vorstellungen des anderen, sondern eher die eigenen traf (=Schlag).

Was es ist – die Gefühle

Einen Ratschlag erbitten wir manchmal von jemandem, von dem wir annehmen, er könnte unsere Situation einschätzen, dem wir vertrauen, dessen Meinung wir schätzen oder einfach um unsere eigene Meinung oder Entscheidung zu festigen.

Und genau da liegt das Problem mit ungebetenen Ratschlägen. Wir kriegen sie von Menschen, die keiner der obigen Kategorien zuzuordnen sind und die wir vor allem nicht danach gefragt haben.

Oder wir bekommen sie zu Themen, zu denen wir keinen Rat brauchen bzw. wollen. Vielleicht, weil wir einfach nur ein wenig Smalltalk halten möchten; oder uns ganz generell über eine Situation austauschen, ohne gleich eine Lösung präsentiert zu bekommen.

Der Rat-Bekommende fühlt sich oft nicht nur überrumpelt, sondern meist auch bevormundet, herab- und zurückgesetzt – und dies völlig unerwartet. Er wird also im Vergleich zum Gesprächspartner deutlich „kleiner“, ohn-mächtig, dumm. Dies muss nicht mal bewusst wahrgenommen werden. Das Gespräch und auch die Beziehung hat jedoch soeben mindestens den ersten Dämpfer, wenn nicht sogar einen Knick erfahren.

Das Schlimme: Der Rat-Gebende bekommt es zumeist nicht einmal mit. Er ist der Meinung, er hat etwas Gutes getan, geholfen, den Nebel des anderen gelichtet und ihn an seinen eigenen Erfahrungen teilhaben lassen. Der Rat-Bekommende muss also nicht die gleichen Fehler, Schwierigkeiten o.ä. durchlaufen wie man selbst – ist doch was wirklich Gutes!

Denkste!

Denn der Rat-Gebende spielt mit seinem Rat auch seine Macht aus (die er womöglich defacto gar nicht hat). Er beweist seinen Erfahrungsschatz und zeigt gleichzeitig, dass er weiß wie es dem anderen geht und was ihm guttut. Er stellt sich also über ihn, macht sich größer.

Da ist er schon, der Widerspruch auf Deinen Lippen!

Na klar. Wir wollen alle nur das Beste für unsere Mitmenschen. Keine Frage. Aber woher wissen wir, dass unser Erfahrungsschatz mit dem des anderen zusammenpasst, dass unser Weg auch der des anderen sein kann, dass unser Ratschlag wirklich zum anderen passt wie zu uns. Richtig: Gar nicht! Und erst recht nicht, wenn wir ihn ungefragt er-TEILEN.

Aber wie dann?

Manchmal muss man Menschen doch vor Dummheiten bewahren.

Das darfst Du doch auch! Aber warum muss es denn in Form eines Ratschlags sein?

Erzähl doch einfach – wenn Du die Erlaubnis dafür erbeten hast – von Deinen eigenen Erfahrungen. Teile Dein Wissen (und nicht Deinen Rat). Und wenn Du unbedingt einen Ratschlag loswerden willst, dann frage wenigstens vorher um Erlaubnis!

Manchmal möchte jemand allerdings auch einfach sein Herz ausschütten – ganz ohne Lösung, Ziel oder irgendetwas. Akzeptiere es. Zuhören reicht in diesem Fall vollkommen aus!


In welchen Situationen bist Du ein Berater oder wirst Du regelmäßig ungefragt mit Rat – (ge)schlagen?

Wie empfindest Du es für das zwischenmenschliche Miteinander und die Kommunikation?

Schreib mir Deine Meinung!

Teile den Beitrag gern, wenn auch andere das unbedingt wissen sollten.

Einblick > Durchblick > Ausblick: für mehr Klarheit.

11 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • […] Es beginnt ein zaghaftes Ausprobieren. Ein Testen der neuen Rahmenbedingungen. Der Wege und Möglichkeiten. Neuer Mut entsteht und wächst.Bis die einstige Veränderung zum neuen „Normal“ geworden ist. Jeder seinen Platz gefunden hat. Die neuen (ungeschriebenen) Regeln und Gesetze klar sind.Sicherheit statt Unsicherheit.Mut statt Angst.Tatendrang statt Schockstarre.In all dieser Zeit ist eines ganz besonders wichtig.Auffangen. Halt geben. Rahmen schaffen.Klarheit schaffen durch Kommunikation.Einander zuhören und ernst nehmen. Klar ausdrücken, was bedrückt und gerade in einem los ist.Ratschläge unbedingt vermeiden! Die schaden in Zeiten von unerwünschter Veränderung noch mehr als sonst. Mehr dazu gibt es im Beitrag: Todsünden der Kommunikation […]

    Antworten
  • Ich bin langjährige Taxifahrerin und habe gelernt, daß meine Kunden ein offenes, zugewandtes Ohr ohne Vorurteile und ohne ungebetene Ratschläge wertschätzen. Ich höre gerne zu, und wer mag, erzählt mir seine Geschichte, was ihn oder sie in diesem Moment gerade bewegt. Das finde ich spannend und interessant und ich lerne immer wieder etwas dazu!

    Antworten
    • Wunderbar! Zuhören ist eine der am wenigsten beachteten Tugenden und so viele vermissen es sehr – oft unbewusst. Schön, dass Du ihnen in Deinem Taxi den Raum dafür gibst. Danke!

  • Was mir gerade passiert ist: Ich bin neu in der Firma. Viele meinen es gut mit mir und geben ihre Ratschläge an mich weiter. Viele davon widersprechen sich oder meiner Kompetenz (die ich aus vorherigen Berufsjahren durchaus mitbringe, was von den Ratgebern aber gerne ignoriert wird). Am Ende habe ich viele Meinungen, keine Lösung, aber viele verärgerte Ratgeber, die erwarteten, dass ich ihren Rat dankbar ohne zu hinterfragen umsetze. Statt dessen erleben sie, dass ich es ja angeblich besser weiss, andere befrage und damit ihnen nicht vertraue. Ich bin nach kurzer Zeit schon die Person, die sich nichts sagen lässt und überall für Unruhe sorgt und über die sich beim Chef beschwert wird. Muss ich lernen, über meinen Schatten zu springen und Dankbarkeit und Demut vortäuschen? Dankbar bin ich ja wirklich über die Zeit, die für den Rat investiert wurde. Aber das reicht offenbar nicht.

    Antworten
    • Liebe Melanie,
      Danke für Deine Erfahrungen und die Zeit, sie hier mit uns zu teilen.
      Du brauchst vermutlich weder das eine noch das andere zu tun.
      Es reicht, wenn Du nicht so viele um Rat fragst bzw. anders kommunizierst.
      Die Kommunikation ist in der Regel der Schlüssel für diese Missverständnisse und die dazugehörige Lösung.
      Niemand mag Menschen, die nach Tipps und Tricks fragen und sich dafür nicht bedanken.
      Genauso mag niemand Menschen, der 1000 Leute das gleiche fragt…
      Du gehörst hoffentlich zu keiner der Gruppen.
      Ungebetene Ratschläge mit einem „Danke für den Hinweis“ zu erwidern reicht häufig.
      Dir werde ich allerdings keinen Ratschlag geben. Meld Dich sehr gern bei mir, wenn Du diese Situationen zukünftig vermeiden möchtest und wir besprechen, ob und wenn ja wie ich Dir dabei helfen kann.

  • Mein Problem besteht eher darin, die ungebetenen Ratschläge anderer nicht zu ertragen. Fühle mich ständig damit konfrontiert, meist ziehe ich mich von diesen Personen zurück. Da wird es ganz schön einsam um mich herum. Wie geht man damit um? Muss man das einfach ertragen?

    Antworten
    • Liebe Steffi, vielen Dank für Deine Meinung und Frage. Rückzug ist eine Möglichkeit, die aber erst an hinterer Stelle stehen sollte. Denn sonst wird es tatsächlich einsam, wie Du schreibst. Ertragen darfst Du es natürlich auch, musst es aber nicht.
      Sieh es so, der andere möchte Dir i.d.R. mit seinem Ratschlag etwas Gutes tun, Dir helfen.
      Du kannst es also annehmen, darüber nachdenken und Dir das für Dich relevante heraussuchen oder es einfach so stehen lassen.
      Auf jeden Fall solltest Du mit der anderen Person ins Gespräch gehen, vor allem, wenn sie Dir wichtig ist.

  • Meine Nachbarin gibt auch gern ungefragt Rat. Gestern habe ich mich ein bisschen geärgert, weil ich dann in die Rechtfertigungsfalle getappt bin. Ich hatte ihr erzählt, dass ich mit Joggen beginnen möchte. Ihr Kommentar: „In deinem Alter solltest erst mal mit Nordic Walking anfangen“ sowie „meine Kolleginnen, die in deinem Alter sind, machen jetzt alle Intervallfasten. Das hat folgende Vorteile…. “ etc. Ich hatte nichts von Abnehmen gesagt. Ich denke, ein angemessener Abstand zu ihr ist die Lösung. Was meinst du?

    Antworten
    • Liebe Birgit, Dankeschön für Deine Erfahrungen. Ein bisschen von Deiner Nachbarin steckt wohl in jedem von uns. Umso wichtiger, dass wir es wahrnehmen.
      Du hast Dir Deine Frage schon selbst beantwortet. Es ist eine Möglichkeit, um den Ratschlägen zu entkommen. Selbstverständlich gibt es viele weitere. Es hängt davon ab, wie wichtig Dir Deine Nachbarin ist und wieviel Dir Eure Beziehung bedeutet.

  • Ach ja, da kommen immer mal wieder Menschen zu dir und klagen ihr Leid, ohne tatsächlich einen Rat zu wollen und trotzdem platzt er dann aus einem raus… gut das es mir durch diesen schön lesbaren Beitrag wieder einmal bewusst geworden ist – manchmal heißt es einfach – nen Schritt zurück machen und „Klappe halten“. Man kennt es ja selbst wie genervt man von den „gut gemeinten Ratschlägen“ z.T. ist… da ist der Blick in den Spiegel wohl das ein oder andere mal echt sinnvoll. Vielen Dank fürs Erinnern und tolle Beschreiben. Ich bin gespannt ob mir das „Schweigen“ gelingt. 🙂

    Antworten
    • Liebe Loreen, vielen Dank für das Teilen Deiner Meinung. Du hast vollkommen recht, Dinge ins Bewußtsein rufen ist der erste und zu gleich schwerste Schritt zur Veränderung. Ich wünsche Dir Geduld und Erfolg beim Ausprobieren und Umsetzen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Bitte füllen Sie dieses Feld aus.
Bitte füllen Sie dieses Feld aus.
Bitte gib eine gültige E-Mail-Adresse ein.